Armutsrisiko Mukoviszidose
Die Mukoviszidose ist schon längst keine bloße Erkrankung des Kindes- und Jugendalters mehr – inzwischen sind über die Hälfte der Patienten erwachsen. Wie eine aktuelle Umfrage zur beruflichen und finanziellen Situation von Erwachsenen mit Mukoviszidose ergeben hat, arbeiten jedoch nur 28% der erwachsenen CF-Patienten in Vollzeit, während 38% eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen und 29% dauerhaft von den Eltern finanziell unterstützt werden. Diese Zahlen präsentierte Georg Wigge, Vorsitzender der CF-Selbsthilfe Osnabrück e.V., im Rahmen der Herbstfortbildung Mukoviszidose, die am 12.10.13 in Erlangen stattgefunden hat. Eine bedeutsame Konsequenz der gestiegenen Lebenserwartung bei CF: Viele Patienten werden erwartungsgemäß ihre Eltern überleben – und verlieren damit gleichzeitig einen wichtigen „Sponsor“. Doch die finanzielle Absicherung der Patienten ist häufig mangelhaft und die Möglichkeiten, diese für den Einzelnen zu verbessern, sind begrenzt. Das „Projekt 60“ des Mukoviszidose e.V. hat sich auf seine Fahnen geschrieben, diese Situation für die Betroffenen zu ändern.
Rentenanspruch weit unter der Armutsgrenze
Die gesetzliche Altersrente beträgt im Bundesdurchschnitt 985 Euro brutto für Männer, während Frauen im Schnitt mit 490 Euro brutto auskommen müssen. Diese Zahlen gelten jedoch für Gesunde. CF-Patienten sind häufig nicht in der Lage, einen Rentenanspruch in vergleichbarer Höhe zu erwirtschaften. Aufgrund frühzeitiger Berentung ist ihr Versorgungsanspruch an die Rentenkassen meist niedriger als die Grundversorgung, sodass staatliche Hilfen (Hartz IV) in Anspruch genommen werden müssen, um die Zahlungen auf das Grundsicherungsniveau aufzustocken. Doch die Höhe dieses Existenzminimums orientiert sich am Gesunden, bei Erkrankten besteht ein deutlicher Mehrbedarf. Die Kosten werden verursacht durch eine qualitativ hochwertige Ernährung, Zuzahlungen für verschreibungspflichtige Medikamente, Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneien, der Eigenanteil für Therapien und Krankenhausaufenthalte und nicht zuletzt die krankheitsbedingt erhöhten Fahrt- und Energiekosten.
CF-bedingt erhöhte Lebenshaltungskosten bleiben unberücksichtigt
Im Vergleich zu Gesunden liegen die Lebenshaltungskosten bei CF um rund 250 Euro pro Monat höher, ergab eine vom Mukoviszidose e.V. in Auftrag gegebene unabhängige Studie. Ein mukoviszidosespezifisches Existenzminimum, das diese Faktoren berücksichtigen würde, ist derzeit vom Gesetzgeber jedoch nicht vorgesehen. Entsprechend wichtig ist eine zusätzliche private Vorsorge. Doch diese wird in voller Höhe auf die Hartz-IV-Zahlungen angerechnet – entlastet also zunächst lediglich die Sozialkasse und kommt dem Erkrankten nur dann zugute, wenn sie den Hartz-IV-Satz übersteigt (vgl. Abbildung). Die einzige Form der privaten Vermögensbildung, die den Anspruch auf Hartz IV nicht mindert, sind Leistungen zur privaten Altersversorgung, beispielsweise in Form einer Riester-Rente. Doch diese wird erst mit Erreichen der Altersgrenze von 67 Jahren fällig – hilft also bei frühzeitiger Berentung, wie sie bei CF häufig unvermeidbar ist, nicht weiter.
Problembewusstsein in der Öffentlichkeit und beim Gesetzgeber wecken
Um die Situation für alle Patienten berechenbarer, sicherer und vor allem gerechter zu gestalten, sind entsprechende Gesetzesänderungen erforderlich. Diese setzen jedoch voraus, dass das Problem bei den Entscheidungsträgern als solches wahr- und ernstgenommen wird. Aus diesem Grund tritt der Mukoviszidose e.V. mit seinem „Projekt 60“ nun vermehrt an die Öffentlichkeit und fordert auch alle Regionalverbände dazu auf. Auf der Website des Vereins (muko.info/leben-mit-cf.html) stehen in der Rubrik „Projekt 60“ neben vielen weiteren Infos zum Thema, Faltblätter und Aufklärungsmaterial zum Download bereit. Darüber hinaus ist Georg Wigge ebenso wie Harro Bossen, der sich als Vorsitzender der CF-Selbsthilfe Bremen ebenfalls maßgeblich im „Projekt 60“ engagiert, gerne bereit, die Problematik in Vorträgen weiter an die Öffentlichkeit zu tragen. Die Kontaktdaten sind auf der Website des Mukoviszidose e.V. zu finden bzw. auf http://www.mukoviszidose-log.de/service/adressen/selbsthilfegruppen.
Georg Wigge: Projekt 60. Vortrag im Rahmen der Herbstfortbildung Mukoviszidose, Erlangen, 12.10.2013