Ein flächendeckendes CF-Screening ist in Deutschland noch Zukunftsmusik

Neugeborenen-Screening

Der berühmte „Fersen-Pieks“, mit dem Neugeborenen Blut abgenommen wird, um sie auf das Vorliegen bestimmter Erbkrankheiten zu untersuchen, gehört in Deutschland bereits seit Jahrzehnten zur Routine in der Neugeborenenversorgung. Stoffwechselstörungen wie die Phenylketonurie und die sog. Ahornsirupkrankheit, eine angeborene Schilddrüsenunterfunktion und viele weitere Erkrankungen können damit nachgewiesen werden. Doch die zystische Fibrose wird bislang in Deutschland nicht mit diesem Screening erfasst. Möglich wäre es. Das beweist Australien, wo ein CF-Screening für Neugeborene bereits seit 30 Jahren gang und gäbe ist. Auch Österreich betreibt ein solches Screening bereits seit 15 Jahren, wie Dr. Sabine Renner, Wien, schilderte. In Österreich beruht das Screening auf der Messung eines bestimmten Bauchspeicheldrüsen-Enzyms, das bei Mukoviszidose im Blut von Neugeborenen erhöht nachweisbar ist, das sog. Trypsinogen. Da es selten auch bei nicht an Mukoviszidose erkrankten Babies erhöht sein kann, wird diese Messung zur Sicherheit bei Kindern mit auffälligen Werten im Alter von vier Wochen noch einmal wiederholt. Bei erneut erhöht gemessenen Werten schließt sich ein Schweißtest an. Bereits in der sechsten Lebenswoche kann auf diese Weise bereits die CF-Diagnose gesichert werden.
Ein solches Screening könnte helfen, die betroffenen Kinder deutlich früher zu identifizieren, als es derzeit der Fall ist – was auch im Hinblick auf präventive Strategien wünschenswert wäre. In Österreich hat man in den 15 Jahren seit Einführung des Screenings über 300 Kinder mit CF frühzeitig – im Durchschnitt im Alter von 6-7 Wochen – diagnostizieren können. Bei über einer Million Geburten im gleichen Zeitraum entspricht dies einem CF-Fall pro 3.500 Kinder. Allerdings – so schränkte Renner ein – ist damit zu rechnen, dass mit diesem Screening jedes Jahr bei ein bis zwei Kindern eine Mukoviszidose nicht erkannt wird. Trotzdem rechnet sich das frühe Screening, denn es ermöglicht eine frühe Schulung der Eltern und Beginn einer inhalativen Therapie, was dazu führt, dass die österreichischen CF-Kinder hinsichtlich ihres Körpergewichts und ihrer Lungenfunktion im gesamteuropäischen Vergleich in den ersten Lebensjahren besser abschneiden.
„Das müssen wir auch machen“ – mit diesem Vorsatz machte sich daher PD Dr. Jürg Barben, der Leiter des CF-Zentrums am Ostschweizer Kinderspital in St. Gallen, daran, ein solches Screening für die Schweiz ins Leben zu rufen. Doch der Weg dahin war nicht einfach. „Ein erfolgreiches Screening-Programm muss balancieren zwischen dem Wunsch, möglichst alle Kinder mit CF zu erfassen – deren Symptomatik von ganz schwer bis beinahe asymptomatisch reichen kann – und der Realität, dass damit viele Kinder einem diagnostischen Test ausgesetzt werden“, so fasste Barben das grundsätzliche Dilemma eines Screenings zusammen. In einer zweijährigen Test- und Evaluationsphase, die mit Beginn 2011 begonnen hat, wird das Screening in der Schweiz derzeit überprüft. Dabei wurden im Vorhinein exakte Erfolgsparameter für das Screening festgesetzt. Sie umfassten neben einer Mindestzahl der diagnostizierten CF-Kinder und vielen weiteren Kriterien auch eine ausreichend niedrige Rate von Kindern, die ohne CF zu einem Schweißtest einbestellt werden sowie eine hohe Zufriedenheit der Eltern mit dem Screening. Sämtliche Parameter wurden bereits im ersten Jahr der Testphase deutlich übertroffen. Als Konsequenz dieser ermutigenden Ergebnisse wird das CF-Screening ab Anfang 2013 in der Schweiz definitiv eingeführt.
So weit sind wir in Deutschland leider noch lange nicht, wie Dr. Jutta Hammermann von der Universitätskinderklinik Dresden ausführte. Zwar wurde bereits Mitte der 70er Jahre in der damaligen DDR ein Mekonium-Screening eingeführt, das jedoch nach zehn Jahren wegen einer mangelhaften „Trefferquote“ von nur rund 50 % wieder eingestellt wurde. 1996 wurde in Sachsen ein Screening eingeführt, das sich jedoch nur sehr zögerlich durchsetzen konnte. Erst 2008 wurde beim Gemeinsamen Bundesausschuss eine Vorlage für die Einführung eines bundesweiten Neugeborenen-Screenings eingereicht. Gleichzeitig wurde in Heidelberg ein Screening begonnen und seit 2012 gibt es auch eines in Mecklenburg-Vorpommern. Doch bislang beschränken sich diese Aktivitäten in Deutschland auf lokale Programme.
Was feststeht, ist, dass ein Mukoviszidose-Screening auch für Deutschland flächendeckend eingeführt werden soll. Doch die Details wie die genaue methodische Durchführung, die rechtlichen Rahmenbedingungen und auch die Finanzierung sind derzeit noch nicht vollständig geklärt. Hammermann ist jedoch optimistisch, dass diese Fragen relativ kurzfristig geklärt werden können und bald auch in Deutschland Kinder mit Mukoviszidose bereits im Neugeborenenalter diagnostiziert und so früh wie möglich optimal behandelt werden können.
Dr. Sabine Renner: Erfahrungen aus einem etablierten Screeningprogramm in Österreich, PD Dr. Jürg Barben: Erfolgreiche Implementierung eines nationalen Screening-Programms in der Schweiz: erste Erfahrungen, Dr. Jutta Hammermann: Situation und Erfahrungen in Deutschland. Vorträge bei der 15. Deutschen Mukoviszidose-Tagung, Würzburg, 16.11.2012

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